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Auszug aus dem sogenannten "Kruzifixurteil" des Bundesverfassungsgerichts 

- Kursarbeit Jahrgangsstufe 13

Leitsatz 1.

Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art 4, Abs 1 GG. 2. §13 Abs 1, Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern ist mit Art 4, Abs 1 GG unvereinbar und nichtig.

Orientierungssatz 

4a: Wenngleich der Einzelne in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf hat, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben, so wird dem Staat aber in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen worden sind, die Pflicht auferlegt, dem Einzelnen einen Betätigungsraum zu sichern, in dem sich seine Persönlichkeit - geschützt vor Angriffen oder Behinderungen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen oder konkurrierender Religionsgruppen - auf weltanschaulich-religiösem Gebiet entfalten kann. 

5b: Im Unterschied zu der im Alltagsleben zwar häufigen, aber in der Regel auf ein flüchtiges Zusammentreffen beschränkten Konfrontation mit religiösen Symbolen der verschiedensten Glaubensrichtungen führen Kreuze in Unterrichtsräumen zusammen mit der allgemeinen Schulpflicht dazu, daß die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit gezwungen werden, unter dem Kreuz als dem Symbol der missionarischen Ausbreitung des Christentums zu lernen.

5c, cc: Im Hinblick darauf, daß das Kreuz nicht seines spezifischen Bezugs auf die Glaubensinhalte des Christentums entkleidet und auf ein allgemeines Zeichen abendländischer Kulturtradition reduziert werden kann, wird die Grenze, die von der Verfassung für die religiös-weltanschauliche Ausrichtung der Schule gezogen ist, durch die Ausstattung von Klassenzimmern mit Kreuzen überschritten.

5d, bb: Da sich der Andersdenkende der Präsenz und Anforderung der in Unterrichtsräumen vorhandenen christlichen Glaubenssymbole - anders als bei den im Einklang mit der Verfassung stehenden freiwilligen Betätigungen von Glaubensüberzeugungen (Schulgebet, religiöse Veranstaltungen) - nicht entziehen kann, ist die Anbringung von Kreuzen in der staatlichen Pflichtschule mit GG Art 4, Abs 1 unvereinbar. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft. 

Tenor 1. 

§13 Absatz 1, Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern (Volksschulordnung - VSO) vom 21. Juni 1983 (GVBl S 597) ist mit Artikel 4, Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Gründe ... ... 2 b: Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur. Zwar sind über die Jahrhunderte zahlreiche christliche Traditionen in die allgemeinen kulturellen Grundlagen der Gesellschaft eingegangen, denen sich auch Gegner des Christentums und Kritiker seines historischen Erbes nicht entziehen können. Von diesen müssen aber die spezifischen Glaubensinhalte der christlichen Religion oder gar einer bestimmten christlichen Konfession einschließlich ihrer rituellen Vergegenwärtigung und symbolischen Darstellung unterschieden werden. Ein staatliches Bekenntnis zu diesen Glaubensinhalten, dem auch Dritte bei Kontakten mit dem Staat ausgesetzt werden, berührt die Religionsfreiheit. Davon ist das Bundesverfassungsgericht schon in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Simultanschulen mit christlichem Charakter im überlieferten badischen Sinne ausgegangen, als es feststellte, daß die zulässige Bejahung des Christentums sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors bezieht, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht dagegen auf die Glaubenswahrheiten der christlichen Religion. Nur bei einer solchen Begrenzung ist diese Bejahung auch gegenüber dem Nichtchristen durch das Fortwirken geschichtlicher Gegebenheiten zu vertreten. Das Kreuz gehört nach wie vor zu den spezifischen Glaubenssymbolen des Christentums. Es ist geradezu sein Glaubenssymbol schlechthin. Es versinnbildlicht die im Opfertod Christi vollzogene Erlösung des Menschen von der Erbschuld, zugleich aber auch den Sieg Christi über Satan und Tod und seine Herrschaft über die Welt, Leiden und Triumph in einem (vgl. das Stichwort "Kreuz" in: Höfer/Rahner <Hrsg.>, Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl. 1961, Bd. 6, Sp. 605 ff.; Fahlbusch u.a. <Hrsg.>, Evangelisches Kirchenlexikon, 3. Aufl. 1989, Bd. 2 Sp. 1462 ff.).

Für den gläubigen Christen ist es deswegen in vielfacher Weise Gegenstand der Verehrung und der Frömmigkeitsübung. Die Ausstattung eines Gebäudes oder eines Raums mit einem Kreuz wird bis heute als gesteigertes Bekenntnis des Besitzers zum christlichen Glauben verstanden. Für den Nichtchristen oder den Atheisten wird das Kreuz gerade wegen der Bedeutung, die ihm das Christentum beilegt und die es in der Geschichte gehabt hat, zum sinnbildlichen Ausdruck bestimmter Glaubensüberzeugungen und zum Symbol ihrer missionarischen Ausbreitung. Es wäre eine dem Selbstverständnis des Christentums und der christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wenn man es, wie in den angegriffenen Entscheidungen, als bloßen Ausdruck abendländischer Tradition oder als kultisches Zeichen ohne spezifischen Glaubensbezug ansehen wollte.


1. Fasse die Begründung des BVG in Thesen zusammen.

2. Diskutiere die Behauptung, das BVG haben dem geänderten Werteverständnis in seinem Urteil Rechnung getragen.

3. Stelle die Position des BVG im Verfassungsstaat dar.